Die Machtverschiebung auf dem Arbeitsmarkt zugunsten der Bewerber beeinflusst den Bewerbungsprozess erheblich. Begriffe wie Candidate Journey und Candidate Experience gewinnen mehr und mehr an Bedeutung. Die Candidate Journey bezeichnet den Weg, den Bewerber vom ersten Kontaktpunkt mit einem Unternehmen bis hin zum Abschluss des Bewerbungsverfahrens zurückzulegen. Candidate Experience bezeichnet die positiven und negativen Erfahrungen der Bewerber während des Bewerbungsprozesses aus Sicht der Kandidaten und wie sie den potentiellen Arbeitgeber während dieser Zeit erlebt haben. Dabei steht die Candidate Experience nicht zwangsläufig im Zusammenhang mit dem Ergebnis des Prozesses, also ob der Bewerber eine Zu- oder Absage erhalten hat.
Erfahren Sie in diesem Artikel worauf es Bewerbern während des Einstellungsprozesses besonders ankommt und was Sie als Unternehmen dafür tun können:
Warum ist eine gute Candidate Experience wichtig?
Qualifizierte Arbeitskräfte, ob sie nun aktiv auf Jobsuche sind oder nicht, haben nicht selten mehr als eine Position zur Auswahl. Aufgrund des Mangels an geeigneten Bewerbern sind Arbeitgeber geradezu gezwungen, um die zukünftigen Mitarbeiter zu kämpfen. Dauert die Candidate Journey zu lange oder fühlen sich die Bewerber nicht wertgeschätzt, brechen sie den Einstellungsprozess vorzeitig ab.
Dabei zählt schon der erste Eindruck, den man vom Unternehmen bekommt. Denn insofern ein positiver Erstkontakt stattgefunden hat, haben potentielle Bewerber inzwischen vielfältige Möglichkeiten sich vorab ein Bild von dem Unternehmen zu machen, dabei spielen Online-Portale wie zum Beispiel kununu eine wichtige Rolle.
Laut einer Studie des Human Capital Institute über die Candidate Experience, lesen Bewerber im Durchschnitt sechs Rezensionen über Unternehmen auf Bewerberportalen, um sich über das Unternehmen zu informieren. Und rund 55 Prozent geben an, Unternehmen zu meiden, die überwiegend schlechte Rezensionen haben.
Doch inzwischen kann in diversen Portalen nicht nur der Arbeitgeber selbst bewertet werden, einige Plattformen bieten auch die Möglichkeit, den Bewerbungsprozess bei dem Unternehmen zu bewerten. 72 Prozent der Befragten geben an, negative Erfahrungen der Candidate Journey in digitalen Netzwerken zu teilen. Für Unternehmen bedeutet das im Ergebnis, dass eine schlechte Candidate Experience zu weniger Bewerbern führen kann.
Wie Sie Kandidaten für Ihr Unternehmen begeistern
Damit sich Kandidaten auf ihrer Reise wohlfühlen und den Einstellungsprozess nicht vorzeitig abbrechen, sollten Sie als Arbeitgeber auf folgende Punkte Wert legen:
1. Korrekte Vermittlung der Unternehmenskultur
Die meta HR untersuchte in einer Studie unter anderem die Kommunikation der Unternehmenskultur. Nur 40 Prozent der Unternehmen gelingt es laut Angaben den Kandidaten, die eigene Kultur zu vermitteln. 25 Prozent geben an, dass die Unternehmenskultur nach Eintritt sogar besser als erwartet ist. Ein gutes Drittel der Befragten empfinden die Unternehmenskultur allerdings als schlechter.
Ziel sollte es also sein, sich als Arbeitgeber mit der eigenen Unternehmenskultur auseinanderzusetzen. Auf diese Weise kann diese auch klar und authentisch nach außen hin kommuniziert werden. Relevante Aspekte der Unternehmenskultur sowie spannende Benefits steigern das Employer Branding und in Zusammenhang damit die Bewerberzahl.
2. Transparenz und Dauer des Bewerbungsprozesses
Kandidaten erwarten von modernen Arbeitgebern eine möglichst kurze und schnelle Bearbeitung der Bewerbung. Eine Faustregel besagt, dass der Bewerbungsprozess nicht länger als sechs Wochen dauern soll. Dauert der Prozess zu lange, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Bewerber selbst das Verfahren abbrechen. Die Transparenz während des gesamten Bewerbungsprozesses ist dabei besonders wichtig. Bewerber möchten gern wissen, wo sie stehen. Arbeitgeber verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil, wenn sie ihre Kandidaten stets auf dem Laufenden halten, wie weit das Verfahren bereits fortgeschritten ist und wo die Kandidaten stehen. Weitere Pluspunkte sammeln Unternehmen, indem sie den Kandidaten einen persönlichen Ansprechpartner zur Verfügung stellen, bei dem sich auch die Bewerber jederzeit für Rückfragen melden können.
3. Wertschätzung
Ein Punkt, der sehr wichtig ist, aber gern vergessen wird: Bewerber sollten stets wertschätzend behandelt werden. Das kann, wie bereits in Form eines persönlichen Ansprechpartners geschehen, die rechtzeitige Information über den Stand des Bewerbungsprozesses, sowie den Fortschritt des Verfahrens. Arbeitgeber sollten den Bewerbern auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen. Da Unternehmen um Fachkräfte buhlen müssen, kann man diese nicht mehr “von oben herab” behandeln.
Es ist ratsam, sich für die Kandidaten Zeit zu nehmen. Das bringt viele Vorteile. Sowohl das Unternehmen als auch die Bewerber lernen so einander besser kennen. Zusätzlich bauen Arbeitgeber und Arbeitnehmer schon während des Bewerbungsprozesses Vertrauen zueinander auf. Das erleichtert aufseiten des Arbeitgebers das Onboarding und aufseiten des Arbeitnehmers verringert es die Abbruchrate. Beides hilft vor allem für den nächsten Tipp.
4. Reibungsloses Onboarding
Sobald der Einstellungsprozess abgeschlossen ist, sollte der Arbeitgeber jedoch weiterhin auf Brüche verzichten. Besonders beim Onboarding der neuen Mitarbeiter. Eine positive Candidate Journey bildet die Basis für eine gute Personalbindung, denn eine Candidate Journey ist nicht perfekt, wenn sie im Onboarding-Prozess scheitert. Grund für das Scheitern kann zum Beispiel ein desinteressierter oder sogar unfreundlicher Vorgesetzter sein.
2021 wurde die Haufe Onboarding Studie durchgeführt, deren Ergebnisse zeigen, dass häufig Ressourcen für ein modernes Onboarding fehlen. Bereits in der Preboarding-Phase fehlen häufig digitale Infrastrukturen, Mitarbeitergespräche und notwendige Budgets. Es ist zu empfehlen, frühzeitig den Kontakt zwischen der Führungskraft und dem Kandidaten herzustellen und die notwendigen Grundlagen zu schaffen.
5. Etablierung eines Experience Designs
Unabhängig von der Branche ist es für Arbeitgeber sinnvoll, eine nutzergerechte Vereinfachung des Bewerbungsprozesses anzustreben. Der Fokus auf eine gute Candidate Journey ist aufgrund der Ergebnisse verschiedener Studien für die Personalbindung nach dem Einstellungsprozess von großer Bedeutung. Durch gezielte Maßnahmen während des Bewerbungsprozesses lassen sich die Loyalität und die Bindung neuer Mitarbeiter etablieren und festigen.
Fazit
Im Kampf um die besten Kandidaten sollten sich Unternehmen nicht nur darauf konzentrieren, die Firmenkultur an die neuen Ansprüche anzupassen, sondern auch darauf, dass der Bewerbungsprozess nicht schon viele geeignete Bewerber abschreckt. Eine gute aber ehrliche Außendarstellung, schnellere Prozesse, Wertschätzung und Transparenz sind dabei unverzichtbare Bestandteile. Eine positive Candidate Journey verschafft Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, der sich insbesondere in geringen Absprungraten der Bewerber äußert.
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