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Orphan Drugs – Arzneimittel im Kampf gegen seltene Erkrankungen

Erst kürzlich, im Mai dieses Jahres, hat die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) die Zulassungsempfehlung für drei neue Orphan Drugs ausgesprochen. Dabei handelt sich um spezielle Medikamente, die gegen seltene Leiden bzw. Krankheiten eingesetzt werden. Noch immer sind viele Krankheiten nicht heilbar und die Entwicklung von Therapiemöglichkeiten soll Betroffenen mit seltenen Erkrankungen die Chance auf ein besseres Leben ermöglichen. Um den Titel Orphan Drug zu erhalten, muss ein Präparat von der Europäischen Arzneimittelbehörte (EMA) als jenes anerkannt und zugelassen werden. Dieses Zulassungsverfahren weist einige Besonderheiten auf, da die Forschung und Entwicklung solcher Arzneimittel große Herausforderungen mit sich bringen.

Was das Besondere an diesem Verfahren ist und mit welchen Schwierigkeiten die Forschung hier konfrontiert wird, erfahren Sie in diesem Artikel.

 

Zulassungsvoraussetzungen für Orphan Drugs

Bis ins Jahr 2000 war es für Life Science Unternehmen sehr schwierig Arzneimittel gegen sogenannte Orphan Diseases (= seltene Krankheiten) auf den Markt zu bringen. Neben den großen Hindernissen in der Entwicklung blieb auch der wirtschaftliche Erfolg meistens aus, so dass der Aufwand für die Forschung in keinem Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Nutzen stand. Die Investitionen in die Forschung übersteigen die Einnahmen, denn die Anzahl der Betroffenen ist im Vergleich zum Aufwand der Entwicklung meist zu gering. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, wurde im Dezember 1999 durch die EMA ein neues Zulassungverfahren beschlossen, dass die Entwicklung solcher Medikamente für die Pharmaindustrie attraktiver machen sollte.

Es handelt sich dabei um ein freiwilliges und kostenfreies Verfahren. Wird das Medikament zugelassen erhält es in der EU eine zehnjährige, vom Patentschutz unabhängige, Marktexklusivität, die selbst ähnliche Wettbewerber-Medikamente vom Markt fernhält, solange diese nicht eine deutlich höhere Wirksamkeit aufweisen können oder einen Versorgungsengpass überwinden sollen.

Schon zu Beginn der Arzneimittelentwicklung, in einigen Fällen auch schon Jahre vor der Marktzulassung, kann der Orphan Drug Status auf der Basis von Krankheitsmodellen oder frühen klinischen Daten beim Komitee für seltene Leiden (Committee for Orphan Medicinal Products, COMP) beantragt werden. Die Ausweisung als Orphan Drug gibt Zugang zu Vergünstigungen und Privilegien vor bzw. nach der Zulassung, beeinflusst aber keine der grundsätzlichen Anforderungen für die Arzneimittelzulassung.

Die Voraussetzung: Das Leiden bzw. die zu behandelnde Krankheit darf bei nicht mehr als einem Betroffenen unter 2000 Menschen vorkommen. Alternativ kann ein Arzneimittel auch dann zugelassen werden, wenn das Unternehmen nachweisen kann, dass der Gewinn aus dem Verkauf des Medikaments, die Investitionen nicht decken würde. Zudem muss das Arzneimittel einen erheblichen Nutzen bringen, das heißt es darf zum Zeitpunkt der Zulassung noch keine zufriedenstellende Therapie existieren.

 

Fakten über Orphan Drugs

Die Ausweisung als Orphan Drug durch die COMP hat keine Auswirkung auf die tatsächliche Arzneimittelzulassung. Für eine Zulassung muss es sich bei der sich zu behandelnder Krankheit um ein seltenes Leiden handeln. Ob das der Fall ist, entscheidet allein die EMA. Bekannte Krankheiten sind zum Beispiel: Arkomegalie (Riesenwuchs), das Lennox-Gastaut-Syndrom (schwere Form der Epilepsie bei Kindern) oder auch die Narkolepsie (Sekundenschlaf).

Weltweit sind derzeit ca. 8000 seltene Erkrankungen bekannt. Ihnen stehen allerdings nur ca. 200 zugelassene Orphan Drugs gegenüber. 68 Medikamente haben diesen Status aufgrund der abgelaufenen Maximallaufzeit von zehn Jahren bereits wieder verloren oder der Status wurde teilweise von den Unternehmen selbst wieder zurückgegeben. Die Aussicht auf die Zukunft lässt aber hoffen. Aktuell befinden sich ca. 2400 Orphan Drugs in der Pipeline und warten auf ihre Zulassung.

Zu den größten Herstellern gehören Celgene mit Revlimid gegen Blutkrebs, Roche mit Rituxan gegen Lymphdrüsenkrebs, Novartis mit Afinitor gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs und Johnson & Johnson mit Velcade gegen das Multiple Myelom (= Knochenmarkkrebs).

(Bei den hier aufgelisteten Krebsarten handelt es sich jeweils um eine besonders seltene Ausprägung der Krankheit.)

 

Herausforderungen bei der Entwicklung von Orphan Drugs

Die Entwicklung gleicht sich in den Kriterien hinsichtlich Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit zu denen normaler Medikamente. Es gibt aber viele Gründe, warum die Entwicklung von Orphan Drugs eine Herausforderung bleibt.

Die Grundvoraussetzung für die Entwicklung eines Medikaments ist es den molekülgenauen aufgeklärten Krankheitsprozess im Körper zu kennen. Bei seltenen Leiden ist das oft das größte Hindernis. Es mangelt an Experten, die sich mit diesen Erkrankungen auskennen und daraus resultierend, herrscht eine große Wissenslücke.

Eine weitere Hürde ist die geringe Anzahl an Studienteilnehmern. Die begrenzte Anzahl an Betroffenen hat zur Folge, dass die Forschung und Entwicklung nur auf eine stark limitierte Anzahl an Probanden zurückgreifen kann. Hinzu kommt, dass die Symptomatik bei seltenen Krankheiten häufig heterogen ist, also das sich ein und dieselbe Krankheit, bei den Patienten sehr unterschiedlich äußern kann. Das erschwert es Experten einen richtigen Ansatz zur Entwicklung eines pharmazeutischen oder biotechnologischen Medikaments zu finden.

Aufgrund von mangelndem Wissen und der niedrigen Anzahl an Betroffenen, ist der Entwicklungsprozess mit einem sehr hohen Aufwand und enormen Kosten verbunden.

Im Schnitt sind die Kosten für die Entwicklung 23mal höher als bei normalen Medikamenten.

Auf ethnischer Seite kollidieren das wenige Wissen und die Erprobung mit dem Wunsch der Patienten, dass die Therapie schnell verfügbar ist. Das kann allerdings aufgrund der Herausforderungen der Entwicklung kaum gewährleistet werden. Auch sind viele Patienten erst Kinder. Eltern müssen hier eine schwere Entscheidung treffen und abwägen, ob die Teilnahme an einer Medikamentenstudie aufgrund des doch hohen Risikos für Ihre Kinder überhaupt sinnvoll ist.

 

Kritik an dem Zulassungsverfahren für Orphan Drugs

Das spezielle Zulassungsverfahren erntet immer wieder Kritik. Der Hauptgrund dafür ist, dass für die Zulassung einfachere Medikamentenstudien akzeptiert werden als für normale Medikamente. Durch die geringe Teilnehmeranzahl an den Studien, können diese nicht in der üblichen Quantität durchgeführt werden. Neue Arzneimittel werden in diesen Fällen häufig ohne eine solide Datengrundlage eingesetzt.

Im Gegensatz zu gewöhnlichen Arzneimitteln gilt eine Ausnahmeregel für Orphan Drugs bei der Markteinführung: Ein Zusatznutzen gegenüber anderen Therapie-Optionen muss nicht durch entsprechende Daten belegt werden, sondern wird automatisch vorausgesetzt. Diese Erleichterung soll Life Science Unternehmen zusätzlich motivieren, auch in dem Bereich der Orphan Diseases zu forschen.

Kritiker fordern allerdings, dass sich auch Mittel gegen seltene Leiden im Zuge der frühen Nutzenbewertung behaupten müssen, denn vielfach sei die angenommene Überlegenheit nicht belegbar und der versprochene Therapieerfolg bliebe aus.

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